Den Stummen eine Stimme
Sie wollen am Pfingstmontag nach dem Gottesdienst einen Familienausflug ins Grüne unternehmen. Am 22. Mai 1983 herrscht Bilderbuchwetter. Im Stadtwald am Oberforsthaus vergnügen sich die ersten schon beim Volksfest und vierhundertausend Menschen sind auf der Rhein-Main-Air-Base fasziniert von der todbringenden Technik der Starfighter. Als sich bei der Flugschau einer der Militärjets aus der Formation löst, fährt der hellblaue Kombi der Familie auf dem Autobahnzubringer am Waldstadion. Brennende Wrackteile der abstürzenden Kampfmaschine treffen den Wagen. Die ganze Straße scheint zu brennen. Martin Jürges (40), seine Frau Irmtraud (38), sein Sohn Jan (11), seine Tochter Katharina (1) und seine Mutter Erna (77) verbrennen im Auto. Die 19jährige Nichte Gesine Wagner, Patin der kleinen Katharina, erliegt 81 Tage später in einer Offenbacher Spezialklinik ihren schweren Verletzungen.
Die erste Todesanzeige erscheint am 24. Mai 1983, unterzeichnet von „deutschen und ausländischen Bewohnern des Gutleutviertels“. Sie bescheinigt dem Pfarrer, der erst zwei Jahre in der Gemeinde tätig war: „Martin Jürges war seinen Mitmenschen ohne Ansehen des Alters, des Standes, der Religion, der Nationalität verbunden. Er gab ihnen Halt.“
Tatsächlich konnte dieser Mann in kürzester Zeit, der Gemeinde und dem Viertel etwas von seinem Lebensmut, seinem Optimismus und seinen Visionen vermitteln. Mit dem ihm eigenen Organisationsgeschick und seiner Überzeugungskraft erreichte er es, dass die Gutleutgemeinde ein neues Haus in der Gutleutstraße 131 bekam. Nach den Vorstellungen von Irmtraud und Martin Jürges wurde aus dem Bürogbäude ein Pfarrhaus, ein Gemeindestützpunkt und bot zudem noch dem Kindergarten Platz.
Martin Jürges und seine Ehefrau arbeiteten zuvor im Stadtjugendpfarramt, er als Stadtjugendpfarrer, sie als Sozialarbeiterin, zuständig für Jugendreisen. Die aktive Mitwirkung am Kirchentag, die Förderung der Gruppe „Habakuk“, die Ausrichtung der Sacro-Pop- Festivals, die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Einmischung in die Frankfurter Kommunalpolitik mit der Initiative „PO – Politisch Obdachlose“, die Untersuchung alternativer Lebensstile, die aktive Jugendpolitik, die praktizierte Ökumene – alles Stichworte, die die Breite und den Aktionsradius dieser besonderen Pfarrerfamilie andeuten.
Die Gemeinde, Freunde und Angehörige gedenken der Familie am 22. Mai, um 17 Uhr auf dem Oberräder Waldfriedhof und um 18.30 Uhr auf dem Familie-Jürges-Platz im Gutleutviertel. Auf dem Platz vor dem Behördenzentrum verlesen Marion und Kurt-Helmuth Eimuth Teste der verstorbenen, begleitet von Lutz Lemhöfer Querflöte.Die Anwohner sind zudem ebenfalls um 17 Uhr in das Kaffeehaus Nussknacker, Karlsruher Straße 5 eingeladen
Mörfelden 22. Mai 2013, 18 Uhr, Martin-Jürges-Weg
Am Pfingstsonntag, 19.05. wird in einem Festgottesdienst das Gemeindezentrum der Hoffnungsgemeinde in der Hafenstr. 5-7 eingeweiht werden.
Die Paul-Gerhardt-Gemeinde, Niederrad, wird am Pfingstsonntag wie immer im Anschluss an den Gottesdienst ein Gedenken am Kreuz an der Unfallstelle (Otto-Fleck-Schneise) durchführen – ca. 11.45/12.00 Uhr.
Kurt-Helmuth Eimuth